ChatGPT: Muse, Arbeitsdrohne, Lektorin
ChatGPT kann für Fachkräfte in der Öffentlichkeitsarbeit eine hilfreiche Unterstützung mit vielen Facetten sein. Moritz Sauer, Referent beim WILA Bildungszentrum, nimmt die Scheu vor der KI und gibt Tipps zur richtigen Nutzung.
Interview: Daniela Obermayer
Warum sollte man keine Scheu haben, ChatGPT für die Öffentlichkeitsarbeit einzusetzen? Welchen Nutzen kann man daraus ziehen?
In diesem Jahr sind wir alle vom Thema KI überrollt worden. Nach der Social-Media-Revolution stehen wir jetzt gerade am Anfang der nächsten großen Revolution. Aber wir können nur ahnen, wohin die Reise geht. Darum muss man sich – meiner Meinung nach – mit dem Thema auseinandersetzen. KI-Systeme werden bleiben und Arbeitsbereiche revolutionieren, unter anderem die Öffentlichkeitsarbeit.
Das Gute an der Öffentlichkeitsarbeit ist jedoch, dass man hier mit Informationen spielt und arbeitet, die sowieso öffentlich zugänglich auf Webseiten und Social-Media-Kanälen sind. Eine Schreib-KI unterstützt den Menschen und nimmt lästige Arbeit ab. Aber sie ersetzt Menschen nicht, sondern erhöht – richtig eingesetzt – die Qualität der eigenen Arbeit. Denn eine KI ist per se nicht kreativ. Es werden aber die Menschen ersetzt, die sich nicht mit den neuen Möglichkeiten auseinandersetzen. Diese werden sicherlich von den anderen abgehängt, die von der KI profitieren.
Für welche Aufgaben im Bereich Öffentlichkeitsarbeit kann man ChatGPT nutzen, unabhängig von der Branche?
Eine Schreib-KI wie ChatGPT kann so vieles, dass es wirklich wahnsinnig ist. Sie kann dein Coach sein und dir helfen, deine Öffentlichkeitsarbeit zu strukturieren, zu planen und mit dir einen Redaktionsplan zu erstellen. Du brauchst eine Muse? Dann hilft dir die KI, dich zu inspirieren, um spannende Inhalte zu generieren. Als Arbeitsdrohne arbeitet sie für dich aber auch einfach nur Texte ab. Sie verbessert auf Wunsch und erstellt aus deinen Texten neue Beiträge für Social Media, Präsentationen und Webseiten.
Können Sie ein Beispiel für die Nutzung beschreiben, etwa wenn eine Fachkraft ChatGPT für die Erstellung einer Pressemitteilung verwenden möchte. Wie geht sie vor?
Der erste Schritt im Gespräch mit einer KI ist es, sich klar zu werden, was man als Endergebnis haben möchte. Je mehr Informationen ich einer Schreib-KI, wie zum Beispiel ChatGPT oder Google Bard zur Verfügung stelle, desto bessere Ergebnisse erhalte ich.
Gibt man der KI genügend Arbeitsmaterial, fängt die Maschine auch nicht an zu halluzinieren, denkt sich Tatsachen aus oder ‚labert nur so rum’. Außerdem gestaltet sich die Interaktion mit einer KI oft erfolgreich, wenn man die vier W-Fragen in seinen Kommandos beachtet: Wer? Was? Wen? Wie? Konkret ausgedrückt: Wer soll die KI sein? Was soll die KI schreiben? Wen adressieren wir mit unserem Text? Und wie soll das Ergebnis ausgegeben werden?
Kann man ChatGPT auch als absoluter IT-Laie verwenden?
Aktuell nutzen laut OpenAI, der Firma hinter ChatGPT, monatlich 100 Millionen Menschen ChatGPT. Warum? Weil es so einfach ist. Jeder kann mit der Maschine ‚chatten’, also plaudern. Entweder man schreibt in das Eingabefeld oder man nimmt die App zur Hand und redet direkt mit der Maschine.
Was gilt es bei der Nutzung zu beachten? Gibt es No-Gos und was wären diese?
Ohne anti-amerikanistisch zu klingen, finde ich es schwierig, dass die beliebteste und aktuell fortschrittlichste KI von einem amerikanischen Unternehmen kontrolliert wird. Dahinter versucht sich Google mit Google Bard zu etablieren. Das bedeutet, dass man auf keinen Fall sensible Daten hochladen sollte. Denn ähnlich wie bei Google wird jede Eingabe abgespeichert. Einerseits behält OpenAI die Daten, um die Maschine weiter zu trainieren. Andererseits hält sich die Firma bedeckt, ob diese Informationen irgendwann gelöscht werden. Schaut man sich Meta, Google oder Amazon an, dann bin ich überzeugt, dass nichts gelöscht wird.
Wo kann man sich seriös informieren oder weiterbilden?
Ein empfehlenswertes und kritisches Buch zum Thema KI heißt ‚The Alignment Problem: Machine Learning and Human Values’. Das Sachbuch hat der amerikanische Autor Brian Christian im Jahr 2020 veröffentlicht. Es basiert auf zahlreichen Interviews mit Experten, die versuchen, Systeme der künstlichen Intelligenz, insbesondere Systeme des maschinellen Lernens, zu entwickeln, die mit menschlichen Werten in Einklang stehen. Und die YouTube-Videos von Professor Rieck zum Thema KI und ChatGPT sind richtig spannend und erhellend, auch wenn schon wieder etwas ‚älter’, sprich ein paar Monate. Wer dann noch Zeit hat, hält sich mit den Videos von Matt Wolfe auf dem Laufenden. Der amerikanische YouTuber berichtet über KIs aus allen Bereichen.
Nächste Seminare rund um KI im WILA Bildungszentrum
Das Interview erschien im Original im WILA Arbeitsmarkt im November 2023.