© Alfred-Wegener-Institut
Science Espressos – Ein Meer an Wissen
Der WILA Bonn lud vom 5. April bis 15. Juni 2017 zu vier Mittagspausen der anderen Art ein: Bei so genannten Science Espressos konnten alle Interessierten mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern diskutieren. Die Science Espressos fanden in Kooperation mit dem Deutschen Museum Bonn und dem Wissenschaftszentrum Bonn im Rahmen des wissnet-Verbundsprojekts "Meer davon" statt. Das Projekt ist Teil des Wissenschaftsjahr 2016*17 - Meere und Ozeane.
Ein Thema, ein/e Forscher/in, 30 Minuten – das ist die Idee hinter den Science Espressos. Nach einem kurzen Impulsvortrag, standen die Fragen aus dem Publikum im Mittelpunkt. Diskutiert wurde, was Sie interessiert. Jeder war eingeladen, seine Meinung und seine Sicht auf Meeresforschung frei zu äußern.
Video zu den Science Espressos Meeresforschung
5. April 2017: Schätze der Tiefsee – Nutzen und Schutz wenig erforschter Lebensräume
Prof. Dr. Antje Boetius, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung
Professorin Antje Boetius nahm das Publikum mit auf Tauchgang. In nur 15 Minuten fesselte sie die Zuhörerinnen und Zuhörer mit Einblicken in ihre Forschungsthemen. So erklärte sie unter anderem, dass die Erde eigentlich ‚Ozean‘ heißen müsste, weil 75 Prozent der Erdoberfläche aus Wasser besteht und alle Gebirge an Land in den Tiefen des Ozeans versenkt werden könnten. Sie berichtete von Tiefseefischen, die auf unseren Tellern landen, bevor sie die Zeit und Möglichkeit haben, sich fortzupflanzen und ihre Art zu erhalten. Mit Schleppnetzen zerstören die Fischer in bestimmten Gebieten Korallen, die Nahrungs- und Lebensraum für Fische bedeuten. Es dauert 1000 Jahre, bis eine Koralle wieder nachgewachsen ist. Heutzutage läuft Forschung und Wissenschaft zum Teil anders. Schrieb man nach einer Expedition eine ausgebreitete Auswertung und Artikel, die in Fachjournalen veröffentlicht wurden, so müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler häufig sehr schnell ihre Ergebnisse an Politik und Wirtschaft liefern, die damit weiterarbeiten wollen. Aus dem Publikum kamen ganz unterschiedliche Fragen: Wo beginnt die Tiefsee und gibt es Maßnahmen, die sich nachweislich positiv auf ihren Schutz auswirken? Wie fühlt es sich an, die eigenen Erkenntnisse der Politik und Wirtschaft nahe zu bringen? So schaffte es Antje Boetius mit ihrem Power-Vortrag, die Zuhörerinnen und Zuhörer auf jeden Fall dazu zu motivieren, sich weiter selbst mit den Inhalten zu beschäftigen.
10. Mai 2017: Gedächtnis des Systems – Mit dem Ozean das Klima der Zukunft vorhersagen
Prof. Dr. Andreas Hense, Meteorologisches Institut der Universität Bonn
Professor Andreas Hense berichtete von seinem Forschungsprojekt im Rahmen der Fördermaßnahme "Mittelfristige Klimaprognosen" (MiKlip). Hier soll ein Modellsystem geschaffen werden, um verlässliche Aussagen zur mittelfristigen Klimaentwicklung und seinen extremen Wetterausprägungen zu gewinnen. Der vorliegende Ansatz erweitert das Spektrum der Forschungsaktivitäten und Maßnahmen zum Umgang mit Klimawandel im Rahmen der Hightech-Strategie 2020 im Bereich Klima und Energie. Um die Vorhersagen machen zu können, arbeiten die Wissenschaftler/innen mit Wahrscheinlichkeitsberechnungen aus den Zusammenhängen der vernetzten Sphären Meereis, Ozean und Atmosphäre. Aus dem Publikum kam zum Beispiel die Frage, inwieweit die Daten mit den Prognosen tatsächlich übereinstimmen. Dazu berichtet Hense von der rückwärtsorientierten Vorhersage: Die Wissenschaftler/innen versuchen zu berechnen, was ein Klimaforscher vor 60 Jahren hätte messen können, wenn ihm die Technik von heute zur Verfügung gestanden hätte. Außerdem wurde die Frage gestellt, wie die wissenschaftlichen Ergebnisse aus dem MiKlip-Projekt in der Gesellschaft genutzt werden können; schließlich sind sie für Industrie, Wirtschaft oder Landwirtschaft hoch relevant. Hense erwähnte, dass es ein Unterprojekt gibt, bei dem genau diese Zielgruppen mit den Ergebnissen versuchen, die wirtschaftlichen Folgen zu ermitteln.
31. Mai 2017: T. rex der Meere – Fischsaurier beleuchtet Ökosystem-Aufbau nach Massenaussterben
Prof. Dr. Martin Sander, Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie, Universität Bonn
Was haben Fischsaurier (Ichthyosaurier) mit Bier zu tun? Das sollte den Besucher/innen des Wissenschaftscafés im Laufe des dritten Science Espressos klar werden. Zuerst erzählte Prof. Martin Sander aber ganz allgemein von dem Leben in unseren Meeren vor mehr als 230 Millionen Jahren. Denn es gibt viele Entwicklungen in unserem heutigen Ökosystem, die damals im Erdmittelalter schon passiert sind. Nach dem vorangegangenen Massenaussterben hatte sich die moderne Struktur des Ökosystems etabliert. Fossilien berichten uns davon. Sander nahm die Zuhörer/innen mit zu seiner Ausgrabungsarbeit in der Wüste von Zentral-Nevada, eine der am weitesten abgelegenen Gegenden in den USA. Dort suchen er und sein Team Gesteinsschichten ab, in denen weitere marine Reptilien vermutet werden, die aus der Tiefsee des ehemaligen Pazifiks stammen. Sein erstaunlichster Fund war der erste Riesenichthyosaurier der Erdgeschichte mit einer Schädellänge von zwei Metern! Er wird zurzeit öffentlich in dem Natural History Museum von Los Angeles untersucht. Da dieser große Schädel nicht so ohne Weiteres transportiert werden konnte, bat Sander einen befreundeten Bierbrauer und Paläontologen, den Schädel mit seinem Biertruck nach Los Angeles zu transportieren. Dabei wurde dem Publikum auch die Verbindung zwischen der Icky-Bierflasche (‚Icky‘, die Abkürzung von Ichthyosaurier) und dem Wirbelknochen klar, die Sander mitgebracht hatte. Das Publikum interessierte unter anderem der Ablauf von Sanders Expedition in der Wüste Nevadas und wie genau man Fossilien findet. Auch nach der globalen Perspektive und den sozioökonomischen Umständen wurde gefragt: Wie sind die Rechte und Möglichkeiten, in anderen Ländern nach Fossilien zu forschen und zu graben? Während in Deutschland die Fossilien unter Denkmalschutz stehen, unterscheidet man in den USA zwischen Staatsland, auf dem die Fossilien geschützt und für die deutschen Forscher unzugänglich sind und Privatland, auf dem die Besitzer bestimmen können, was mit den Fossilien geschieht.
15. Juni 2017: Aquapower Expedition - Lebensraum Meer und seine Bedrohung durch Plastikmüll
Dr. Frauke Bagusche, Meeresbiologin, The Blue Mind
Foto (rechts): © Deutsches Museum Bonn
Was hat Dr. Frauke Bagusche bei der Aquapower Expedition erlebt, bei der sie gemeinsam mit professionellen Wassersportlern gut 9.000 Kilometer quer über den Atlantik von der Karibik bis nach Marseille durch verschiedene Müllteppiche gereist ist? Die Meeresbiologin konnte beim vierten Science Espresso dem großen Publikum im Alter von sieben bis 70 Jahren Vieles über globale Erwärmung und Zerstörung des marinen Lebensraums durch Plastikmüll erzählen. Der Müllteppich im Ozean, so Bagusche, besteht nicht nur aus großen, an der Oberfläche schwimmenden Teilen, sondern auch aus einer recht dichten Schicht von kleinen Plastikpartikeln knapp unter dem Wasser. Diese kleinen Plastikteile stammen zum Beispiel aus Kosmetikprodukten. Mikroplastik gelangt aber auch beim Waschen von Kunststofftextilien oder durch den Autoreifenabrieb in das Abwasser und so teilweise auch in die Flüsse und Meere. Der Abrieb von Autoreifen wird derzeit als die größte Quelle des Eintrags von Mikroplastik bewertet. Aber auch größere, im Meer schwimmende Plastikteile sorgen, wenn diese brüchig werden und nach und nach in kleine Einzelteile zerfallen, für Mikroplastik. Im Meer sind gerade diese kleinen Partikel ein großes Problem, da sie von den Meerestieren mit Plankton verwechselt werden. So konnten in Muscheln und Fischen diese kleinen Plastikteilchen nachgewiesen werden. Das Publikum stellte Fragen zu den Möglichkeiten, Bakterien im Gewässer auszusetzen, die Plastik abbauen können. Auch die Politik und die herstellenden Unternehmen sind gefordert, die Plastikproduktion und den Plastikkonsum zu reglementieren. Die Zuschauer und Zuschauerinnen interessierte darüber hinaus die Möglichkeit nachhaltiger Textilfasern als Alternative zu Funktionskleidung oder die gesundheitlichen Folgen durch den Verzehr von Fisch, der mit Mikroplastik belastet ist. Ein junger Zuschauer fragte besorgt, ob sich Mikroplastik auch in seinem Lieblingsfleisch (vom Schaf) oder in Pflanzen wiederfinden lässt. Bagusche machte deutlich, dass auf vielen verschiedenen Ebenen – der Politik, der Industrie aber auch beim einzelnen Konsumenten – etwas geändert werden muss, um die Plastikflut (auch) im Meer einzuschränken.
Kontakt
Michaela ShieldsTel. (02 28) 20161-48
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!